22 November 2006

Serranía de San Lucas – Die Goldminenregion

Die Serranía de San Lucas ist ein Ausläufer der sich in Kolumbien teilenden Anden. Das Symbol der mit Regenwald bedeckten Bergregion ist die mit 2300m höchste Erhebung – "La Teta". Zugang zu diesem goldreichen Gebiet besteht fast ausschließlich über Santa Rosa del Sur, ein Dorf, das wohl hauptsächlich vom Gold lebt das dort getauscht wird. Von Santa Rosa führt eine unbefestigte Straße zwei bis vier Stunden (regenabhängig) bis zu einem Örtchen Namens "La Punta" von wo die Waren per Maultier und die Menschen meist zu Fuß (zwischen vier und sieben Stunden) zu den Goldminen und den vielen verstreuten Häuseransammlungen vordringen.
Bis dato liegt die Ausbeutung der Goldminen ausschließlich in der Hand von "kleinen" mineros (Minenarbeitern), d.h. dass die mineros das Gold was sie erarbeiten auch behalten und davon leben. Doch das multinationale Unternehmen "Anglo Gold Ashanti" (Südafrika, Großbritannien, Kanada) mit der Filiale "Kedahda" hat sich bereits große Teile der Region vom kolumbianischen Staat quasi schenken lassen, um Gold und andere Metalle (Silber, Kupfer, Uran etc.) im großen Stil abzubauen. Der Start ist für 2007 geplant. Um das Gebiet von der störenden Bevölkerung, die wohl die 10 000er Marke übersteigt, zu reinigen wurde schon im Jahr 2001 mit der Militarisierung der Region durch paramilitärische und militärische Einheiten begonnen. Der letzte Mord an einem minero-Führer liegt nur zwei Monate zurück: Am 19. September 2006 wurde Alejandro Uribe, gewählter Präsident einer etwa 300 Menschen umfassenden minero-Gemeinde, vom Militär gefoltert, ermordet und dann als Guerrillero präsentiert. Dieser Mord hat zu einer sechs Wochen anhaltenden Mobilisierung von etwa 1000 mineros in Santa Rosa geführt. Erst ein Einlenken der Regierung und das Versprechen u.a. in Zukunft die Menschenrechte und die Genfer Konventionen einzuhalten und den Mord Alejandros juristisch zu verfolgen konnte die Mobilisierung beenden. Doch die Hoffnung, dass diese Versprechen auch eingehalten werden ist erfahrungsgemäß nicht sehr groß. Zur Erinnerung: In Kolumbien werden 98% der Menschenrechtsverbrechen juristisch nicht verurteilt. Auch wenn die mineros größtenteils legale Konzessionen ihrer Minen besitzen sind sie sich der Gefahr bewusst die von derartigen Großkonzernen ausgeht - unterstützt von Regierung, Militär und Paramilitär - und kämpfen weiterhin für den Erhalt ihrer Arbeit und ihres Lebensraumes. Dieser Kampf muss national und international begleitet werden, um erfolgreich zu sein.
Schürft die Kedahda erst einmal in der Serranía, so wird die Goldausbeutung wohl kaum vor Besitztiteln von kleinen mineros halt machen. Der groß angelegte Goldabbau wird nicht nur im direkten Minengebiet menschliche Tragödien und immense Umweltzerstörungen zur Folge haben, sondern dessen Auswirkungen wird die gesamte Region – vielleicht sogar das ganze Land – spüren. Aus der Serranía de San Lucas stammen schon jetzt 42% des kolumbianischen Goldes. Würden die 10 000 mineros durch einen Großkonzern ersetzt, der sämtliche Gewinne am kolumbianischen Volk vorbei ins Ausland schafft, so würden die mineros ihre Existenz und weit mehr ihre Einkommensgrundlage verlieren.

Ich habe zunächst die Mobilisierung in Santa Rosa begleitet und den Menschen vor Ort versucht internationale Unterstützung zu vermittelt und die Motivation hoch zu halten. Denn eine Demonstration von sechs Wochen ist zermürbend und kostet Kraft und Geld.
Nach dem Abkommen des 30. Oktober 2006 mit verschiedenen Ministerien der nationalen Regierung sind die mineros heim gekehrt und gehen wider ihrer Arbeit nach. Eine Woche habe ich dabei eine Familie begleitet und so die Lebensumstände und die Goldabbauprozesse kennengelernt.
Mit Hammer und Meißel werden entlang der goldhaltigen Gesteinsadern Tunnel angelegt. Das Gestein wird zu Sand zermalen und mit Quecksilber vom gröberen Gold getrennt. Später wird das feinere Gold mittels des hochgiftigen Cyanids aus dem Sand herausgelöst. Der Cyanidprozess verpestet schon jetzt in großem Ausmaß die Flüsse. Doch wird erst einmal Gold im großen Stil in einer Tagebaumine gefördert, so wird dies irreparable Schäden für Mensch und Natur zur Folge haben.

Aufgrund des Goldreichtums der Region geht es den Menschen im Verhältnis zu den campesinos weiter im Süden recht gut. Aber da es auch hier an jeglicher staatlicher Investition (Bildung, Gesundheit, Infrastruktur, Kommunikation, etc.) mangelt, müssen sie alles selbst leisten. Zudem sind die Preise für Nahrungsmittel, aufgrund der hohen Transportkosten, wegen fehlender Straßen, extrem hoch. Die Minenregion ist die teuerste Ecke Kolumbiens.

Die Abgeschiedenheit hat auch auf die Demokratie erhebliche Auswirkungen: Bis ins Jahr 2000 wurde das Gebiet von den verschiedenen Guerilla-Gruppen (ELN, FARC, ERP) beherrscht. Hauptsächlich die FARC hat Wahlen mit der Begründung nicht zugelassen, dass nur Parteien zur Wahl stünden, die den Status-quo zu verteidigen gedächten. Aber auch von den Regierung wurden Wahlen in der Serranía mit der Begründung der Guerilla-Präsenz nicht zugelassen. Seit 2001 sind die staatlichen Truppen in das Gebiet vorgerückt und kontrollieren es (nach eigenen Angaben) auch. Dennoch können Wahlen angeblich nicht gesichert werden, weshalb die nächste Urne bis zu sieben Stunden Fußmarsch und drei Stunden Autofahrt entfernt „bereit steht“. Will jemand trotz dieses Zeitaufwands gerne wählen gehen, so würde ihn dies etwa einen Wochenlohn kosten. Nach fünf Jahren Militärpräsenz wurde am vergangenen Sonntag (19. November 2006) erneut eine Wahl aus „Sicherheitsgründen“ einen Tag vor dem Wahltag nicht gestattet. Betrachtet man die Wählerschaft der Minenregion genauer, so wird schnell klar, weshalb die Regierung mit aller Macht die Wahlbeteiligung unterbindet: Die mineros sind einigermaßen organisiert und wissen durch wen ihre Lebensgrundlage bedroht wird. Sie würden wahrscheinlich fast einheitlich die seit 2006 bestehende Wahlalternative „Polo Democativo Alternativo“ wählen. Nach meinen bisherigen Erfahrungen und Beobachtungen herrscht in ländlichen Gebieten fast landesweit eine Wahlabstinenz, die durch folgende Faktoren zustande kommt: fehlende Wahlurnen, fehlendes politisches Interesse nach 40 Jahren Krieg, Bestechung und Einschüchterung. 17% der Kolumbianer haben für Alvaro Uribe gestimmt und damit hat er 62% der abgegebenen Stimmen gewonnen. Es lebe die kolumbianische Demokratie!

1 Kommentare:

Blogger xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx meinte...

Hallo Julian,

erst mal hoffe ich, dass es dir in Südamerika gut geht.

Deinen Text kann ich leider noch nicht kommentieren, da ich ihn noch nicht zu Ende gelesen habe. Versuche das nachzuholen und dann einen konstruktiven Kommentar zu hinterlassen.

MfG,

Elby

28. November 2006 um 05:29  

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