"Los estudiantes no somos terroristas!!"

Der Grund dieser so genannten „Paros“ liegt in Reformplänen der Regierung. Der (nicht verfassungskonforme) „Plan Nacional de Desarollo“ (PND) sieht enorme Kürzungen im Bereich der öffentlichen Bildung vor. Die Studenten der staatlichen Universitäten befürchten, wie mittlerweile von einzelnen Uni-Rektoren bestätigt, dass sich die Uni das fehlende Geld bei den Studenten via „Matrikulationsgebühren“ zurück holt. Professoren und Angestellte der Universität müssen mit Stellen- und Gehaltskürzungen rechnen. Ähnlich den Studiengebühren in Deutschland würde das zu einer Privatisierung der Universität führen und vielen Jugendlichen den Weg zu höherer Bildung verbauen. Den landesweiten Studentenprotesten, die zahlenmaessig groessten seit vielen Jahren, haben sich ebenfalls Lehrer und Schüler der staatlichen Oberschulen angeschlossen. Am 23. Mai kam es aus diesem Grund zu einem landesweiten Generalstreik, begleitet von Demonstrationen im ganzen Land wobei es in Bogotá 1 Million Menschen waren, die für den Erhalt des öffentlichen Bildungsystems eingetreten sind.
Die Kürzungen im besagten Bereich sind aber lediglich der unmittelbare Anlass der Proteste, zugleich richten sich diese auch direkt gegen die Regierung von Präsident Álvaro Uribe Velez. Zum einen ist es die neoliberale und unsoziale Politik der Regierung, die zunehmende Militarisierung des Landes und vor allem der seit mehr als einem Jahr schwelende Para-Politik Skandal (viele sprechen mittlerweile gar von „narco-para-politica“). Dabei werden immer wieder und immer engere Verbindungen von Bürgermeistern, Gouverneuren und Kongressmitgliedern (letztere stammen allesamt aus der Partei des Präsidenten) bis zu engsten Vertrauten des Präsidenten zu den para-militärischen Einheiten bekannt. Uribe selbst konnte, auch wenn es erstens nur eine Frage der Zeit zu sein scheint und zweitens die Hinweise schon seit längerem zaunpfahlschwenkend im Raum stehen, noch keine direkte Verbindungen zu den AUC (Autodefensas Unidas de Colombia) nachgewiesen werden.

Im Zuge des „paros“ kommt es wiederholt zu großen Demonstrationen oder kleineren Aktionen wie die Blockade angrenzender Strassen und der Campus wird für vielfältige Aktionen genutzt. In der Universidad de Antioquia werden zahlreiche Infoveranstaltungen und Konzerte veranstaltet, Dokumentarfilme gezeigt und Protestcamps organisiert, kurz gesagt der Raum und die Zeit genutzt, um die Bedeutung der öffentlichen Bildung zu unterstreichen und auf die Folgen der Reformpläne aufmerksam zu machen. Aufmerksam zu machen ist dabei nicht so einfach wie man denken mag. Die Demos mit, wie im Falle Medellins, 30 000 Menschen finden in Zeitung und Fernsehen kaum Platz oder werden dank der Kontrolle der Medien durch einige wenige Familien der Oligarchie vollständig ignoriert.

Zugleich wird das von der Regierung propagierte Bild von „Terroristen“ und subversiven Kräften die den Protest in die Unis tragen und angeblich die Stabilität und den vermeintlichen Frieden des Landes gefährden, vielfach von den Medien übernommen und findet dementsprechend seinen Niederschlag in der Meinung der Durchschnittsbevölkerung. Dadurch legitimiert Uribe wiederum das repressive Vorgehen gegen die Studenten. Während an der Universidad Nacional mit ihrem Hauptstandort Bogotá die Ferien vorgezogen wurden um die Bewegung einzudämmen, sind Polizeieinheiten in die Uni Cauca in Popayan und die Uni Caldas in Manizales eingedrungen und haben den friedlichen Protest der Studenten mit Gummigeschossen, Tränengas und willkürlichen Verhaftungen vorübergehend beendet.
Die Angst vor den Polizeieinheiten, den ESMAD (Escuadrón Movíl Antidisturbios), ist beispielsweise bei den nächtlichen Camps auf dem Gelände der Uni Antioquia bei vielen spürbar, nicht zuletzt weil diese Einheiten vor zwei Jahren bei einer Räumungsaktion in Cali einen Studenten erschossen haben. So lief das Camp der letzten Woche unter den Augen zweier Räumpanzer ab, die einsatzbereit vor den Toren der Uni standen, letzten Endes aber nicht eingegriffen haben.
Der absolut friedlichen Blockade der Via Regional am darauf folgenden Freitag, der an den Unicampus angrenzenden Stadtautobahn, begegnete ESMAD mit 4 Räumpanzern und ausführlicher Gewaltanwendung. (Was wiederum zu Widerstand einiger Studenten mit Molotovcocktails und Knallkörpern führte und dann dementsprechend verdreht in Zeitung und Nachrichten landete).

Aktueller Stand an meiner Uni ist, dass einige wichtige Punkte des von der Generalversammlung aufgestellten Forderungskatalogs zum Teil vom Rektorat zugestanden worden sind. So unter anderem die Verpflichtung des Rektors, die Matrikulationsgebühren nicht zu erhöhen. Allerdings stehen noch einige wichtige Punkte aus, die in den nächsten Verhandlungsrunden im Laufe der nun beginnenden zweiwöchigen (regulären) Ferien durchgesetzt werden sollen. Das von der Generalversammlung gewählte Studentenkommitte ist zu Recht hocherfreut über die breite Unterstützung der gesamten Studenten der Uni, weiß aber zugleich dass sie es mit einem sehr kooperationswilligen Rektor zu tun hat. An anderen öffentlichen Unis in Kolumbien ist das nicht so, der Rektor der Universidad Nacional, Maurice Wassermann, ist beispielsweise vom Präsidenten Uribe eingesetzt worden und, wie erwähnt, voll auf Regierungskurs, wenn er den studentischen Protest kriminalisiert.
Homepage der Asamblea Permanente der UdeA

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