29 Oktober 2007

Kolumbien hat gewählt

Am gestrigen Sonntag wurden in Kolumbien gewählt, Buergermeister, Stadträte, Gouverneure und die Regionalparlamente.
Ein kleiner Überblick:

In Medellin geht Alonso Salazar als Sieger hervor und schlägt etwas überraschend den Ex-Bürgermeister Luis Perez, dessen verschwenderische Finanzpolitik von vielen bereits vergessen wurde und der darüber hinaus auf der Liste der Kandidaten steht, die laut der Wochenzeitung Semana ein extremes bzw. hohes Risiko für die Demokratie darstellen. (Auf der Liste findet sich unter anderem der gewählte Gouverneur von Antioquia Luis Alfredo Ramos) Zumindest wird es jetzt nicht für alle Haushalte einen Computer + kostenloses Internet geben, wie es Perez versprochen hatte. Salazar steht klar für Kontinuität, wie er im Wahlkampf immer wieder betont hatte. Der aktuelle Bürgermeister Sergio Farjado hat viel für die Stadt getan, massenhaft Geld in die Infrastruktur gepumpt und das nicht nur in den Stadtteilen der Ober- und Mittelschicht, sondern auch in marginalisierten Vierteln, wie das auf dem ehemaligen Müllberg der Stadt gebaute Moravia. Dennoch, in der Dunkelheit beleuchtete Bibliotheken in die "barrios populares" zu setzen, reicht bei weitem nicht. Es wird zwar viel getan, vor allem im kulturellen Bereich, doch proportional ist das vielen noch zu wenig und wird teilweise als scheinheilig empfunden. ("Tapar el sol con el dedo" - "Die Sonne mit dem Daumen verdecken" sagte treffend eine Freundin.)Medellin (als größte Stadt im gesamten Valle de Aburrá) und die anliegenden Städte sind durchsetzt mit para-militärischen Strukturen, wogegen die Politik wenig unternimmt oder dies sogar unterstützt. Medellin beherbergt die höchste Anzahl demobilisierter Para-Militärs, die nach ihrer "Legalisierung" durch das "Ley de Justicia y Paz" Teile des Transportsystems und die größte Kette von Wettbüros betreiben. Darüber hinaus kontrollieren die "Paracos" die Elendsviertel auf den Hüglen der Stadt, wo viele vom Konflikt Vertriebene in Häusern aus Wellblech und Karton hausen und teilweise sogar Miete für diese Unterkunft bezahlen müssen. Von diesen Umständen in der "gebildetsten Stadt" war im Wahlkampf kaum die Rede.

In Bogotá konnte der Polo Democrático Alternativo, die einzige demokratische linke Opposition, ihren Bürgermeisterposten verteidigen. Samuel Moreno schlägt damit den Kandidaten des Präsidenten Uribe, was vielfach als schwere Niederlage des Letzteren interpretiert wird. In den letzten Tagen vor der Wahl hatte Uribe mehrfach gegen den Polo gewettert und, wie so oft, in Verbindung mit der FARC-Guerrilla gebracht. Die noch immer andauernde Polemik der Regierung Uribe, der über seine Minister nicht aufhört Moreno und den Polo zu diffamieren, zeigt nur zu deutlich, wie sehr es den Präsidenten schmerzt in der Hauptstadt nicht "seinen" Kandidaten durchgesetzt zu haben. (Wie übrigens in einem Großteil der Städte, auch in Medellin und Cali, und Departamentos gelungen, wenngleich der Standard heute gegenteiliges berichtet.

Land auf Land ab wird derweil bewertet, inwieweit sich der Polo als Oppositionspartei etablieren konnte. Außer das sicherlich prestigeträchtigste Amt, den Bürgermeisterposten in der Hauptstadt errangen "die Gelben" den Gouverneursposten in Nariño, der an Ecuador angrenzenden Südprovinz. Auf den ersten Blick relativ wenig, doch muss bedacht werden dass der Polo eine im Aufbau befindliche Bewegung ist und vor wenigen Jahren noch kaum eine Rolle auf der politischen Bühne spielte. So sind beispielsweise 60.000 Stimmen für den Gouverneurskandidaten in Antioquia ein äußerst beachtliches Ergebnis dafür, dass zum ersten Male ein Kandidat für diesen Posten aufgestellt werden konnte.Dennoch: Da so gut wie alle Parteien und Bewegungen mal mehr mal weniger Teile des "Uribismo", der rechts-konservativen Politik des ersten Mannes im Staate sind, scheint der Weg des Polo noch sehr lang zu sein. Die Wahlen waren sicherlich ein positives Zeichen und haben gezeigt, dass die vom Polo angebotene Alternative von vielen Teilen der Bevölkerung angenommen wird und nicht alle wortlos die Politik Uribes und seiner Handlanger hinnehmen. Ein sicherlich gutes Zeichen für die Präsidentenwahlen im Jahr 2010, doch der Weg ist noch lang und sehr, sehr steinig.

Am Wahlwochenende, an dem übrigens kein Alkohol verkauft werden darf, hatten viele auch mit einem Bombenanschlag der FARC gerechnet. Doch die Strategie scheint sich geändert zu haben: 29 Kandidaten des Uribismo wurden im Vorfeld von den FARC ermordet und die Bevölkerung wurde auf diese Weise eingeschüchtert. Im Gegenzug wissen die Paras allerdings auch ihre Kandidaten durchzusetzen bzw. die ungeliebten, meist dem Polo zugehörigen, via Morddrohungen teilweise zum Rücktritt zu bewegen.
Die Wahlbeteiligung lag im Durchschnitt bei etwas mehr als 50%.

3 Kommentare:

Anonymous Anonym meinte...

moin. danke für die Wahlberichterstattung! Hab fast nichts davon mitbekommen. Der Polo scheint wahrlich auf einem langsamen Weg nach oben zu sein. Bleibt abzuwarten ob er auch ankommt. Leider muss ich befürchten, dass einem drohendem Sieg von Links energisch entgegen gewirkt werden könnte. Erinnert sei dabei an das Schicksal der Union Patriotica vor 20 Jahren.
Bei aller Abneigung gegenüber den Uribistas ist es abermals erschreckend zu hören, dass die FARC sich immer weniger von den paramilitärischen Todesschwadronen unterscheiden. Hast du Quellen?

30. Oktober 2007 um 00:34  
Blogger parcero meinte...

Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

30. Oktober 2007 um 12:04  
Blogger parcero meinte...

moin
was mich doch serh ueberascht das auch die taz berichtet, der sieg salazars in medellin sei als schlappe fuer Uribe zu werten. das ist keineswegs so. salazar war zwar kandidat der Alianca social Induigena, an dessen Spitze er sich hat setzen lassen, im zweifel aber ist salazar genau so auf seite des praesideten wie sein vorgaanger farjado. "Der Praesident hat mir noch am Wahlabend telefonisch gratuliert..."
Quelle des Textes ist fuer einige dinge Semana.com, fuer zahlen die Registraduria (registraduria.gov.co). Die Zahlen ueber die von den Farc ermordeten Kandidaten schwankt von Medium zu Medium, liegt aber bei mind. 20.
gruss

30. Oktober 2007 um 12:06  

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